Holzkeilrahmen, wie sie traditionellerweise für Leinwände als Bildträger verwendet werden, haben sich ihrer Funktion als nichtsichtbare Rahmenkonstruktion entledigt, beziehungsweise sind ihrer Leinwände entblößt.
So generieren sie selbst zum Gestaltungsmittel: verschieden formatige Rahmenelemente verweisen zunächst auf ein klassisches Tafelbild – durch die Präsenz der Rahmenkonstruktion mit ihren Kreuz-, Querachsen, ihren Verschränkungen, Verzahnungen, ihrer Dreidimensionalität, ihrer Durchlässigkeit nehmen die Holzkonstruktionen Beziehung zum Raum auf – das Tafelbild kann zum Objekt transformieren.
Bildträger oder Objekt bieten sparsame Oberflächen für eine abstrakt konstruktive Malerei, abhanden gekommene Flächen werden jetzt farblich suggeriert, unterbrochen, von Innenachsen neu dynamisiert. Farbrhythmen, Farbgewichte erzeugen Spannungen, brechen feste Konstruktionsgefüge auf.
Gebrauchte, textile Industriezurren umspannen Flächenteile der spröden Holzkonstruktion, ohne diese dabei zusätzlich zu stabilisieren. Keine ihrer ursprünglichen Funktionen werden den Zurren abverlangt. Sie treten nun vielmehr als zusätzliches Gestaltungselement auf: die textile, viskose Beschaffenheit der Bänder tritt anstelle einer Pinselführung, die keine Leinwand benötigt. Streifen werden zu Farbflächen gebündelt, Diagonalen durchkreuzen das sonst rechtwinklige Gefüge.
Metallschliessen bilden abrupte, klare Farbübergänge, die mit der konstruktiven Malweise korrespondieren. Der installative Aspekt der Arbeit – das Wickeln und Spannen der Bänder – verweist auf einen im abstrakt konstruktiven gänzlich fehlenden Malgestus.
Mit dem Eintreten in einen abstrakten Bildraum streifen die Industriezurren mit ihren Gebrauchs- , Verschleiss- und Schmutzspuren ihre jeweiligen Geschichten ab und lassen die Erfahrungen des Zusammenschnürens, Zusammenspannens, der extrem hohen Belastbarkeit, des Tragens und Hebens unmittelbar und konkret erscheinen.
Schnürungen, Spannungen vermitteln den Eindruck eines leichten und eleganten Zusammenspiels von Gurten und sperrigen Rahmenkonstruktionen, die Frage, ob es einem Bildelement gelingt, das jeweils andere zu dominieren oder ob sich bereits Abhängigkeiten entwickelt haben, bleibt dabei offen.
Gabriele Fulterer & Christine Scherrer, 2018
BONDAGE
Wooden frames, as they are traditionally used as image carriers for canvases, have shed their function as non-visible frame construction or, to be more precise, are denuded of their canvases.
They thus make themselves into a compositional medium: variously-sized frame elements refer initially to a classic panel painting, but through the presence of the frame construction, with its cross and transverse axes, its interlacing, dovetailing, its three-dimensionality, its transparency, the wooden structures enter into relationship with space, transforming the panel painting into an object.
Image carrier or object provide economical surfaces for an abstract constructive painting; lost surfaces are suggested by colour, interrupted, dynamised by inner axes. Colour rhythms, colour weights generate tensions, break up solid construction structures.
Used, industrial textile lashings clasp together surface parts of the brittle wooden construction without additionally stabilizing it. None of their original functions are demanded of the straps. They enter the scene instead as an additional compositional element: the textile, viscose texture of the lashings stand in for a brushwork that does not need a canvas. Straps are focused into colour surfaces, diagonals cross the otherwise rectangular structure.
Metal clasps form abrupt, clear colour transitions that match the constructive style of painting; the installative aspect of the work – the winding and spanning of the straps – points to a painterly gesture entirely missing in the abstract constructive. Entering into an abstract pictorial space, the industrial lashings, bearing traces of their use, of wear and dirt, strip off their respective histories and make the experiences of lacing, yoking together of an extremely high load capacity, of carrying and lifting, seem immediate and concrete.
Lacings, tensions convey the impression of a light and elegant interplay of straps and bulky frame constructions; the question whether one pictorial element succeeds in dominating the others, or whether dependencies have already developed, remains open.
Gabriele Fulterer & Christine Scherrer, 2018
(Translated by Jonathan Uhlaner)